Nachdem ich ein paar Wochen im Anschluss an die Reise ununterbrochen Wortsalven in die Tastatur gefeuert hatte, waren die Luft etwas raus und die letzten Wochen daher vorwiegend von Schreibfaulheit geprägt. Doch auch noch so viele Wochen danach blicke ich zurück auf die Reise.
Ein ganz besonderer Aspekt im Rahmen der Radreise von Rheinsheim nach Sizilien, über den ich noch berichten möchte, ist die (Nieren-)Gesundheit. Mit meinem treuen Begleiter „Alport-Syndrom“ und damit meiner genetischen Erkrankung, über die ich schon in diesem Artikel etwas ausführlicher berichtet habe, war diese Reise auch ein gesundheitliches Experiment für mich.
Natrium, Kalium und Eiweiß als Nierenkiller
Mit diesen drei Elementen muss ich mit meiner Nierenfunktion von noch rund 40 % besonders maßvoll umgehen, da ich dadurch meine Nieren wesentlich entlasten und weitere Komplikationen vermeiden kann. Das ist nicht immer ganz einfach, denn insbesondere das Eiweiß ist essenziell wichtig, denn es liefert sozusagen das Baumaterial für Muskeln, Organe und Blut, aber auch für Enzyme und Hormone, etwa zur Immunabwehr.
Warum aber in meinem Fall gleichzeitig die Reduktion von Eiweiß so wichtig ist? Meine geschädigten Nieren haben Schwierigkeiten, stickstoffhaltige Abfallprodukte aus dem Eiweißstoffwechsel auszuscheiden, wodurch eine erhöhte Menge Eiweißzufuhr das Fortschreiten der Nierenschwäche beschleunigen kann. Das heißt im Umkehrschluss, die Dialysewahrscheinlichkeit würde näher rücken.
Ähnliches gilt für Natrium und Kalium. Aufgrund der schwachen Niere können überschüssiges Kalium und nicht mehr genügend Salze aus dem Blut herausgefiltert werden. Außerdem kann eine zu hohe Menge Kalium im Körper zu Herzrhythmusstörungen und übermäßiger Salzkonsum zu Wassereinlagerungen wie auch einem Anstieg des Bluthochdrucks führen. Nicht ganz so förderliche Nebeneffekte.
Ernährung, das A und O?
Hier ein gesundes Gleichgewicht zu finden, vor allem bei viel sportlicher Betätigung, empfinde ich immer wieder als Herausforderung. Achte ich also auf eine besondere Form der Ernährung? Nein und das aus gutem Grund. Für manche mag ein strenges Ernährungsregime funktionieren, für mich tut es das aber vor allem in mentaler Hinsicht nicht (ich hab auch schon einiges ausprobiert).
Für mich funktioniert dagegen die Kunst des maßvollen Genusses, auch wenn es selbstverständlich nicht immer klappt. Grundsätzlich fahre ich damit außerordentlich gut und meine Nierenwerte haben sich seit Jahren auf einem stabilen Wert eingependelt. Die Kunst des maßvollen Genusses, was das schon wieder? Ganz einfach: Mir nichts zu verbieten, aber immer das Maß im Blick zu behalten.
Da ist dann ab und an auch mal eine Tafel Schokolade dabei, eine halbe Tüte Tortillas, ja. Das mag im Hinblick auf die Niere erst einmal suboptimal sein, gibt mir aber meinen mentalen Frieden, weil ich mir nichts verbieten muss.
Essen auf der Reise
Auf der Radreise sah der Alltag natürlich ganz anders aus. Statt, dass ich mit meinem Bobbes auf einem Bürostuhl vor einem Bildschirm vor mich hinvegetiert bin, habe ich diesen gegen 6–8 Stunden täglich auf dem Sattel und das rhythmische Treten in die Pedale eingetauscht. Da kommen am Ende des Tages einige Zusatzkalorien zusammen, die sich gerne gesättigt sehen würden.
Um genau zu sein im Durchschnitt 2.303 kcal Zusatzbedarf pro Radel Tag. Um irgendwie nur annähernd auf die Kalorien zu kommen, habe ich für mich beschlossen, auf der Reise nicht besonders auf die Zufuhr zu achten. Auch nicht auf den Natrium-, Kalium- und Eiweißgehalt, schließlich war ich im Land der Pizzen, Paninis und Pasta, hallo!
Dementsprechend hatte ich (wahrscheinlich bis auf Eiweiß) einen deutlich erhöhten Salz- und auch Zuckerkonsum (vor allem Kekse, yum) nicht zu kurz kommen lassen. Im Gegenteil! An einigen Tagen habe ich es richtig krachen lassen. Wohlgemerkt sei aber dazu gesagt, dass ich natürlich durch den Sport wieder jede Menge Natrium und Kalium ausgeschwitzt habe.
Ergebnisse nach der Reise
Nach der Radreise hatte ich wieder meine übliche Untersuchung, was unter anderem alle sechs Monate einen Urintest und ein Blutbild beinhaltet. Ich war um ehrlich zu sein schon etwas aufgeregt, da von den Ergebnissen auch maßgebend potenzielle zukünftige Unterfangen abhängen würden. Schließlich würde ich keine bewusste Verschlechterung der Nieren herbeiführen wollen.
Wie sich jedoch bei der Ergebnisbesprechung herausstellte, sind auch nach gut eineinhalb Monaten Radfahren und jeder Menge wildem Essen die Werte auf dem gleichen Niveau und damit stabil geblieben. Im Nachgang denke ich, dass ich mir auf der Reise einfach das zugeführt habe, was mein Körper auch täglich gebraucht / verlangt hat.
Selbstverständlich ist das hier kein Garant auf Vollständigkeit und kann in einem anderen Fall wieder ganz anders aussehen. Mir hat dieses „kleine Experiment“ jedoch sehr viel Zuversicht für weitere solche Projekte gegeben.
P.S. Aktuell nehme ich im Rahmen des Alport-Syndroms an einer Studie an der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) teil. Dabei teste ich neue Tabletten, die das Potenzial haben, die Nierenfunktion länger aufrechtzuerhalten. Dazu gibt es zu einem späteren Zeitpunkt mehr.
Liebe,
Kevin