Nachdem ich nun bereits einige Highlights meiner Reise vorgestellt habe, möchte ich im dritten Teil noch über eine ganz besondere Form von Highlights berichten, Begegnungen! Das Schöne an Reisen und insbesondere wenn man große Strecken auch allein zurücklegt ist, dass man immer wieder auf neue Menschen trifft, tolle Konversationen führt und manchmal gar Freunde fürs Leben gewinnt.
Im Gelobten Land des Radsports
Neben dem Katholizismus gibt es in Italien eine weitere Religion, denn hier werden Rennrad und seine Fahrer regelrecht verehrt. Das sieht und fühlt man überall. Was ich besonders bemerkenswert finde: Italienische Rennradfahrer strahlen Stil und Grazie aus. Ein Phänomen für sich, dass ich so noch nirgends erlebt habe. Für mich liegt das nicht unbedingt an Kleidung oder Frisur, sondern viel mehr an der Energie, die all diese Fahrradbegeisterten ausstrahlen.
Ich finde es toll, dass neben den Jungspunden auch viele Senioren noch regelmäßig Rennrad fahren und sich fit halten. Manchmal in kleiner Gruppe, manchmal auch in einer richtig großen Armada von Rentnern. Auf meiner Reise habe ich unzählige von ihnen getroffen und habe mich immer wieder von deren Begeisterung anstecken lassen.
Als Fahrradfahrer mit Gepäck wird man regelrecht gefeiert und erfährt unfassbar viel Zuspruch. Man wird ständig von anderen Radfahrern gegrüßt, in kurze, kleine Gespräche verwickelt und manchmal gibt es sogar einen Applaus. Vor allem von den älteren Herrschaften. Das ständige Grüßen wie auch die Freundlichkeit auf der Straße hat mich dabei sehr berührt. Ich habe das Grüßen in Deutschland beibehalten, doch hier bekomme ich seltenst einen Gruß zurück. Andere Welt eben.
Als Fazit würde ich an dieser Stelle anmerken, dass vor allem die Senioren überaus aufgeschlossen und neugierig waren. Egal ob auf dem Fahrrad, in einem Café oder im nächstgelegenen Park. Sie haben mit ihrem gebrochenen Englisch immer wieder versucht, eine Konversation zu starten und waren ernsthaft interessiert an der Reise. Ich habe diese Gespräche sehr genossen und sie gehören damit zu meinen absoluten Highlights.
Immer im richtigen Moment
Wie ich euch bereits erzählt habe, gab es natürlich auch Tage, wo einfach der Wurm drin war. Entweder es war eine super anstrengende Etappe, die einem alles abverlangt hat oder es waren andere Umstände, die dafür gesorgt haben, dass der Drive an dem Tag eher mäßig ausgefallen ist. Doch irgendwie fügt sich immer alles und am Ende jedes einzelnen Tages, gab es mindestens ein Highlight, dass die Mühseligkeit wieder in den Schatten gestellt hat.
Da war zum Beispiel dieser eine Tag, um genau zu sein der dritte Tag nach meiner Ankunft auf Sizilien, Etappe 26. An diesem Tag wollte ich die von Touristen gern besuchte Stadt Syrakus erreichen und auf dem naheliegenden Campingplatz nächtigen. Der Anfang der Etappe war ganz angenehm und ich hatte tolle Aussichten und weitgehend angenehme Straßen, vor allem was den Verkehr betrifft.
Nach gut der Hälfte der Fahrtzeit führte der Weg dann auf einer breit ausgebauten Straße entlang, auf der an diesem Tag sehr viel Verkehr herrschte. Auf diesem Weg gab es so ziemlich nichts außer Industrie, Hitze und Trockenheit. Es war ein elendig langes Stück weg und ich hatte die Hitze und meinen damit verbundenen Wasservorrat unterschätzt. Dementsprechend legte ich öfter Pausen im Schatten ein.
Nahe einem Industriegebäude musste ich dann eine längere Pause einlegen, da mir schon etwas schwummrig wurde und ich legte mich auf den asphaltierten Boden, um ein Nickerchen zu machen. Da sprach mich auf einmal John-Luca an, der in eben jenem Gebäude arbeitete und gerade seine Schicht beginnen wollte. Er fragte, ob alles ok sei und wir kamen in ein tolles Gespräch. Wir verständigten uns teilweise auf Englisch, teilweise auf Italienisch und teilweise mit allen möglichen Gesten.
Ein richtig toller Kerl. Nach unserem Gespräch ging er kurz aufs Firmengelände und brachte mir noch zwei kleine Flaschen Wasser vorbei. Nicht, dass ich es nicht ohne das Wasser geschafft hätte, aber die Tatsache immer wieder auf solche hilfsbereiten Menschen zu treffen, gab mir immer wieder ein so starkes Gefühl von Sicherheit. Eine Sicherheit die kein Geld der Welt, keine Wohnung und kein Job mir bieten könnte. Eine Sicherheit in Form von Vertrauen in das Leben.
Abendessen zu Dritt
Dann gab es da noch diesen ganz besonderen Abend mit zwei ganz besonderen Menschen. Benni und Ingrid. Es war die 24te Etappe meiner Reise und damit der letzte Tag bzw. die letzte Nacht, die ich auf dem Festland verbringen würde. Ich war so unglaublich nah an meinem Ziel, dass ich schon ganz nervös wurde und kaum noch schlafen konnte. Trotz des Schlafmangels war ich voller Energie, denn die Vorstellung am nächsten Tag Sizilien zu erreichen, war absolut traumhaft.
So landete ich nach einem anstrengenden Tag und einigen Höhenmetern an einem Campingplatz direkt am Meer. Ich dachte ernsthaft, ich würde Sizilien schon sehen, aber das war etwas weit hergeholt.^^ Bei der Anmeldung bin ich bereits auf Benni und Ingrid gestoßen und wir haben uns etwas unterhalten, bevor sich dann jeder auf den Weg zu seinem Platz gemacht hat. Da ich bereits sehr früh am morgen losgefahren bin, hatte ich noch den halben Tag vor mir.
Somit konnte ich mal wieder meine Wäsche mit der Hand waschen und in der Sonne trockenen, mich ausgiebig ans Meer legen (mein erster kleiner Sonnenbrand) und den Tag vor mich hin lungern. Das war schon ein ziemlich cooler Luxus, nach all den vorherigen langen Tagen. Irgendwann kam dann Benni am Strand auf mich zu und wir unterhielten uns, vor allem auch über unsere beiden Schwerhörigkeit (witzig, wie man immer wieder auf Gleichgesinnte trifft :)) und haben uns köstlich amüsiert.
Beide wollten mich zum Abendessen einladen und mehr von meiner Reise hören und ich nahm dankend an, zumal beide auch sehr viel Spannendes zu erzählen hatten. Es war damit ein wirklich in jeder Hinsicht perfekter Abschluss für meine Reise auf dem Festland, denn ich entspannte mich merklich und wir hatten einen tollen Abend mit vielen Stunden Gesprächsstoff.
In der Ruhe liegt die Kraft
Zuletzt habe ich noch ein Erlebnis, dass ich unmöglich vergessen kann. Es war mein Ruhetag in Syrakus (ich weiß, ich springe zeitlich gern etwas rum^^). Ich befand mich auf dem nahe liegenden Campingplatz und habe bereits am Vortrag Kontakt zu meinen Nachbarn geknüpft. Am Vortag habe ich auch gemerkt, dass ich nach dieser letzten heftigen Etappe definitiv nen Tag Pause brauche und dachte mir, dass ich dann die Zeit für eine Besichtigung in Syrakus nutzen könnte.
Syrakus ist eine ganz schöne Stadt, jedoch natürlich auch ein touristisches Highlight. Das merkt man zum Beispiel an der Tatsache, dass hier der Café (üblicherweise ein Espresso in Italien) ein normaler Kaffee ist. Hier merkt man also schon deutlich die westlichen Tendenzen bzw. die Anpassung an das westliche Publikum. Auch die Preise für einen Cappuccino und generell für andere Dinge unterscheiden sich hier allen voran in der Höhe.
Jedenfalls habe ich nach der Besichtigung noch ein paar Lebensmittel eingekauft und bin dann völlig erschöpft zurück auf den Campingplatz. Wenn man es gewohnt ist viele Tage allein für sich auf dem Rad zu sein, kann so eine Stadt schon ganz schön anstrengend werden. Wie so oft habe ich mich dort nach einem Nickerchen in den Schneidersitz gesetzt, die Augen zu gemacht, ruhig ein- und ausgeatmet und die letzten Tage für mich Revue passieren lassen.
Auf einmal höre ich ein leichtes Knacken und blicke ganz leicht auf. Da kommt mir Alessandro entgegen und hält den Zeigefinger an den Mund. Er hat ein Räucherstäbchen in der Hand, steckt es direkt vor mir in den Boden und zündet es an. Danach dreht er sich um und geht zurück zu seinem Camper. Was ein Erlebnis und krass, dass mich eine so große „Kleinigkeit“ in dem Moment so sehr bewegt. Ich bin überwältigt und finde die Geste wunderschön.
In meiner Tasche trage ich seit 14 Tagen und seit dem Tag als ich nach Rom das erste Mal am Meer war, zwei Muscheln mit mir herum. Diese lagen direkt nebeneinander, eine Dunkel, die andere Hell. Für mich war das kein Zufall und ich habe beide für einen besonderen Moment oder für einen besonderen Menschen mitgenommen. Nach dieser Aktion war mir klar, dass ich diese Muscheln ihm und seiner Frau schenken würde.
Besser hätte es nicht passen können, denn beide sind gerade dabei aus den Niederlanden auszuwandern, um in Syrakus heimisch zu werden. Das ist natürlich eine große Herausforderung und alles andere als leicht. Die Muscheln sollen dabei das Licht und den Schatten signalisieren, die Tatsache, dass es Erfolge und auch immer wieder Rückschläge auf dem Weg gibt, aber man nie den Draht zur Hoffnung verlieren sollte.
Es gibt noch so viele weitere Momente und Begegnungen über die ich berichten könnte, für diesen Artikel is aber erstmal genug. 🙂
P.S. Auf dem Bild sind Nicoletta und Giovanni zu sehen, über die ich bereits in den Reisehighlights II berichtet habe. Beide waren meine Schutzpatronen auf meiner Etappe zum Lago di Suviana und ich bin nach wie vor mit beiden in Kontakt. <3
Liebe
Kevin